Der Boogardie-Orbiculit im Berliner Tiergarten

Abb. 1: Ensemble aus fünf großen Blöcken des Boogardie-Orbiculits, gruppiert um einen Block aus archaischem Bändereisenerz (BIF), wahrscheinlich ebenfalls aus Westaustralien.

Wer sich für Orbiculite interessiert, kann im Berliner Tiergarten einen besonders attraktiven Vertreter dieser seltenen und exotischen Plutonite bewundern. Fünf große Orbiculit-Blöcke mit polierter Oberfläche befinden sich nördlich der Lenné-Straße (52.513267, 13.373827) und sind Teil des „Global Stone Projects“, einer Skulpturengruppe aus Werksteinen aus der ganzen Welt.

Der Boogardie-Orbiculit stammt aus Westaustralien, einem Steinbruch bei Boogardie Station, etwa 35 km westlich der Goldmine Mount Magnet (-28.061113, 117.484848). Es handelt sich um den weltweit wohl ältesten Orbiculit mit einem Alter von 2.692 Millionen Jahren, zugleich um den bisher einzigen bekannten Orbiculit auf diesem Kontinent. Das Vorkommen bildet einen flachen ovalen Körper von geschätzt 300 m Länge und maximal 15 m Mächtigkeit, eingebettet in einen etwas älteren Granodiorit bis Tonalit. Eine petrographische Beschreibung des Gesteins ist FETHERSTON 2010 zu entnehmen, s. a. BEVAN 2004 und BEVAN & BEVAN 2009.

Abb. 2: Polierte Oberfläche des Boogardie-Orbiculits. Die Orbicule liegen dicht gepackt, teilweise berühren sie sich. Oben erkennt man einen scharfen Übergang zum Wirtgestein, einer grobkörnigen Partie ohne Orbicule.
Abb. 3: Partie mit weitgehend intakten Orbiculen in dichter Packung. Das Gestein ist von zwei Rissen durchzogen, die die Orbicule durchschlagen und gegeneinander verstellt haben: die jeweiligen Seiten passen nicht zueinander. Bildbreite 40 cm.
Abb. 4: Stellenweise finden sich Partien, in denen die Orbicule besonders dicht liegen. Wahrscheinlich waren die Orbicule zur Zeit ihrer Bildung relativ beweglich innerhalb der Schmelze und haben sich später in dieser Zone gravitativ angereichert. Bildbreite 42 cm.

Die meisten der 5-10 cm großen Orbicule weisen ovale, nur einige wenige von ihnen nahezu kreisrunde Anschnitte auf. Darüber hinaus sind zahlreiche unregelmäßige Konturen oder Bruchstücke von Orbiculen erkennbar. Die Orbicule bestehen im Wesentlichen aus Plagioklas und Amphibol (Hornblende) und sind dioritisch zusammengesetzt. Ihre Kerne sind grob- bis mittelkörnig, im Falle von Grobkörnigkeit häufig als Cluster aus Diorit mit radial vom Zentrum ausgehenden Hornblende-Aggregaten. Manche Kerne scheinen lediglich aus einer Ansammlung dunkler Minerale (Amphibol) zu bestehen. Biotit tritt innerhalb der Schalen auf, im Kern ist er nicht erkennbar. Wahrscheinlich ermöglichten Konvektionsströme innerhalb der Magmakammer eine hohe Beweglichkeit der Orbicule, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in einem plastischen Zustand befanden, weil sie oft verformt und teilweise zerbrochen sind. Schließlich scheinen sie sich mittels Schwerkraft abgesetzt zu haben (Abb. 4).

Abb. 5: Am Kontakt zum granodioritischen Nebengestein (rechts) sind die Orbicule weitgehend intakt und liegen etwas lockerer. Sie waren zum Zeitpunkt ihrer Bildung noch verformbar und bekamen durch gegenseitiges Aneinanderstoßen „Ecken“. Bildbreite 35 cm.

Soweit die Minerale auf der polierten Schnittfläche überhaupt bestimmbar sind, ist die Matrix hier ein mittel- bis grobkörniger Granodiorit bis Tonalit aus weißem Plagioklas, wenig rötlichem Alkalifeldspat, hellgrauem Quarz sowie Amphibol und Biotit als dunkle Minerale.

Abb. 6: Detailaufnahme einiger gut ausgebildeter Orbicule mit mehreren Schalen.

Gut ausgebildete Orbicule bestehen aus 5-7 konzentrischen Lagen (Schalen) unterschiedlicher Dicke. Bestimmende Minerale sind schwarze Hornblende und weißer, im grobkörnigen Kern auch leicht grünlicher Plagioklas. Die Kristallisation der länglichen Hornblende- und Plagioklas-Aggregate innerhalb der dickeren Schalen erfolgte radial, d. h. senkrecht zur Kugel- bzw. Ellipsoid-Oberfläche. In manchen Schalen erkennt man, dass die länglichen Hornblenden nach innen spitz zulaufen. Die dunkleren Außenschalen enthalten mehr Amphibol sowie etwas mehr Biotit.

Abb. 7: Orbicule mit grobkörnigem Kern und annähernd radial ausgerichteten Hornblende-Aggregaten, gefolgt von 5-6 konzentrischen Schalen unterschiedlicher Dicke, jeweils mit ebenfalls radial ausgerichteten Kristallen. Nass fotografiert.

Die konzentrischen Lagen (Schalen) der Orbicule sind das Ergebnis episodischer Kristallisationsereignisse, jeweils ausgelöst durch Veränderungen der physikalischen und chemischen Bedingungen innerhalb der Schmelze. Die radiale Anordnung der Mineralkörner in den Schalen lässt auf eine rasche Kristallisation unter den thermodynamisch günstigsten Bedingungen bei gleichzeitiger Armut an Kristallisationskeimen schließen, vergleichbar mit der Bildung radialer „Kristallite“ in Vulkaniten mit sphärolithischer Textur. Die radiale Ausrichtung der Minerale scheint immer mit der Bildung der folgenden Schale von neuem begonnen zu haben.

Abb. 8: Angewitterte Bruchfläche mit kontrastreich ausgebildeten Orbiculen.
Abb. 9: Nahaufnahme eines einzelnen Orbiculs auf einer angewitterten Bruchfläche.

Die Entstehung der Orbicule steht im Zusammenhang mit einer dynamischen Kristallisationsgeschichte eines wahrscheinlich flüssigkeitsreichen und unterkühlten dioritischen Magmas (BEVAN 2004). Zufuhr von wässrigen Fluiden führte zu einer Unterkühlung des Magmas, bei der die gewöhnliche gleichkörnige Kristallisation verzögert und bereits vorhandene Kristallisationskeime zerstört wurden. Unterhalb des kritischen Punktes kristallisieren zunächst Plagioklas und Hornblende. Einmal begonnen, verläuft der Prozess recht schnell, weil für eine Kristallisation an einem bereits vorhandenem Festkörper weniger Energie erforderlich ist als zur Bildung von Kristallisationskeimen. Die konzentrischen Ringe entstanden nach und nach durch dynamische Kristallisation und lokalen Variationen in Temperatur und Sättigung der Minerale innerhalb der Schmelze. Zu diesem Zeitpunkt konnten sich die Orbicule wohl frei in der Schmelze bewegen, angetrieben durch Konvektionsströme innerhalb der Magmakammer. Einige Orbicule sammelten sich am „Boden“ der Magmakammer, andere blieben in der Matrix oder stießen sanft aneinander. Zuletzt erstarrte die Matrix und fixierte die Orbicule.

Abb. 10: Intakte und zerbrochene Orbicule in einer hellen und grobkörnigen Matrix, flankiert von mittel- und gleichkörnigen Partien des Wirtgesteins.
Abb. 11: Eine jüngere Pegmatitader durchschlägt einzelne Orbicule. Bildbreite an der Basis 45 cm.
Abb. 12: Einer der Blöcke zeigt eine scharfe Grenze heller und gebänderter kleinkörniger Partien zum Orbiculit. Auf der rechten Seite begrenzt ein Pegmatit den Orbiculit, gefolgt von einem inhomogenem Granodiorit (ganz rechts). Breite 125 cm.
Abb. 13: Scharfe Grenze zwischen kleinkörnigem Plutonit und Orbiculit. Bildbreite 42 cm.
Abb. 14: Aplitähnliche kleinkörnige Partie im Detail, Übergang in einen schriftgranitischen Pegmatit.
Abb. 15: Grenze Orbiculit – tonalitischer Pegmatit, Bildbreite 28 cm.
Abb. 16: Bändereisenerz mit polierter Partie im Zentrum des Ensembles, sehr wahrscheinlich auch aus Westaustralien. Breite ca. 1 m.
Abb. 17: Die polierte Fläche lässt sich aufgrund der Reflektion des metallisch glänzenden Hämatits nicht gut fotografieren. Bildbreite ca. 25 cm.

Links und Literatur

Bericht über den Boogardie-Orbiculit 1

Bericht über den Boogardie-Orbiculit 2

Seite des Steinbruch-Betreibers

BEVAN J 2004 Archaean orbicular granitoids from Boogardie, near Mt Magnet, in Western Australia – Dynamic Earth: Past, Present and Future: Geological Society of Australia, Abstracts 73, 17th Australian Geological Convention, Hobart, p. 252.

BEVAN J C & BEVAN A W R 2009 Nature and origin of the orbicular granodiorite from Boogardie Station, Western Australia: an ornamental stone of monumental proportions – The Australian Gemmologist vol. 23, p. 373–432.

FETHERSTON J M 2010 Dimension stone in Western Australia. Volume 2, Dimension stones of the southern, central western, and northern region. Geological Survey of Western Australia, Mineral Resources Bulletin 24, p. 35–43.