Der Orbiculit von Hohensaaten

Abb. 1: Fundsituation des Orbiculits auf einer Halde mit Großgeschieben in der Kiesgrube Hohensaaten. Länge 42 cm.

Orbiculite gehören zu den seltensten Geschiebetypen. Für den Sammler kristalliner Geschiebe ist der Fund eines Orbiculits quasi der „Lottogewinn“. Die plutonischen Gesteine fallen durch ihr kurioses und attraktives Erscheinungsbild auf. Eingebettet in eine regellose und vergleichsweise grobkörnige Grundmasse (Matrix) liegen zahlreiche, meist eiförmige Aggregate (Orbicule), die einen konzentrisch-schaligen Aufbau im Millimeter- bis Zentimetermaßstab aufweisen und Durchmesser von ca. 5-15 cm erreichen. Die Seltenheit der Orbiculite erklärt sich durch die geringe Ausdehnung ihrer Vorkommen. Aus dem Einzugsgebiet der nordischen Inlandvereisungen sind einige von ihnen bekannt, eine weit höhere Anzahl blieb aber bisher unentdeckt. Der Autor (Marc Torbohm) hatte im April 2018 das Glück, ein Orbiculit-Geschiebe in der Kiesgrube Hohensaaten an der Oder (Ost-Brandenburg) zu finden und für 2,68 € zu erwerben, was dem gewöhnlichen Preis für 60 kg Überkorn entspricht. Der Fund von Hohensaaten wird in TORBOHM et al. 2022 (download) eingehend beschrieben, neben zwei weiteren weiteren Orbiculit-Geschieben aus Norddeutschland.

Abb. 2: Orbiculit von Hohensaaten, nass fotografiert.

Das Gestein enthält zahlreiche, in Form, Größe, Farbe, Textur und Aufbau variable Orbicule in dichter Packung. Die wenigsten Orbicule sind ideal kugelförmig, die meisten zeigen einen elliptischen Anschnitt, einige sind auch stärker deformiert. Dies ist auf eine plastische Deformation der noch duktilen Orbicule in der Schmelze zurückzuführen.

Abb. 3: Aufnahme unter Wasser (Bild: M. Bräunlich, kristallin.de).
Abb. 4: Rückseite, Aufnahme unter Wasser (Bild: M. Bräunlich, kristallin.de).

Insgesamt sind etwa 50 Orbicul-Anschnitte erkennbar, die meisten davon größer als 5 cm. Ein einzelnes Orbicul erreicht eine Länge von 20 cm (Abb. 12). Innerhalb der Orbicule lassen sich ganz unterschiedliche Texturen und Mengenverhältnisse der beteiligten Minerale beobachten. Mehrheitlich besitzen sie einen einfachen Aufbau und bestehen aus einem größeren Kern sowie einer schmalen Schale. Orbicule mit komplexem Aufbau (Abb. 3, 4) weisen einen kleineren Kernbereich und mehrere konzentrische Schalen auf. Die einzelnen Schalen zeichnen sich durch unterschiedliche Korngrößen und Mengenanteile an Feldspat (Plagioklas) und Amphibol aus. Sowohl scharf zur Grundmasse begrenzte Ränder der Orbicule, als auch allmähliche Übergänge sind zu beobachten, manchmal auch an einem einzigen Orbicul.

Abb. 5: Detailaufnahme einiger Orbicule sowie der grobkörnigen Matrix.

Die grobkörnige Matrix besteht im Wesentlichen aus weißem, durch perthitische Entmischung auch leicht grauem bis bläulichem Alkalifeldspat (bis 20 mm), schwarzem Amphibol (Kristalle bis 10 mm) und ebenfalls weißem Plagioklas (erkennbar an der polysynthetischen Verzwilligung). Stellenweise sowie in Nestern ist etwas Glimmer erkennbar. Der Quarz ist z. T. gelblich verfärbt und sitzt in den Feldspatzwickeln (kristallisierte also zuletzt aus). Die Zusammensetzung der Matrix ist quarzmonzodioritisch bis quarzmonzonitisch.

Abb. 6: Im trockenen Zustand sind die Minerale der grobkörnigen Matrix gut erkennbar: weißer Alkalifeldspat (mit perthitischen Entmischungen), schwarzer Amphibol sowie farbloser und transparenter Quarz. Bild: M. Bräunlich, kristallin.de.
Abb. 7: Auf der nassen Oberfläche ist zusätzlich etwas goldbrauner Biotit erkennbar. Bild: M. Bräunlich, kristallin.de.
Abb. 8: Detailansicht einiger Orbicule, teilweise durch gegenseitige Berührung im plastischen Zustand deformiert.

Die Orbicule weisen einen mittelkörnigen Kern mit dioritischer Zusammensetzung auf (Amphibol + Plagioklas). Nach außen folgen kleinkörnige Schalen, die ebenfalls dioritisch zusammengesetzt sind (Plagioklas, Amphibol, Biotit) und sich von Orbicul zu Orbicul in Dicke, Körnigkeit und dem Mengenverhältnis Plagioklas/Amphibol unterscheiden. Die Zusammensetzung der Orbicule wurde durch eine dünnschliffmikroskopische Untersuchung bestätigt. An keinem der Orbicule lässt sich übrigens eine radiale Ausrichtung der Mineralbestandteile in den einzelnen Schalen beobachten, wie sie von vielen anderen Orbiculiten bekannt ist (s. Boogardie-Orbiculit im Berliner Tiergarten).

Abb. 9: Nahaufnahme eines Orbiculs mit deutlichem Schalenbau. Hier sind mindestens drei Schalen erkennbar, mit jeweils kleinen Unterschieden in Mineralgehalt und Korngröße.

Die unterschiedliche Zusammensetzung von Matrix und Orbiculen ist typisch für Orbiculite und steht im Zusammenhang mit wechselnden Kristallisationsbedingungen bei ihrer Entstehung. Im Fall des Orbiculits von Hohensaaten kristallisierten zuerst Plagioklas, Amphibol und etwas Quarz in wechselnden Mengen (quarzdioritische Zusammensetzung der Orbicule). Erst mit der finalen Kristallisation der Matrix kam es vermehrt zur Ausscheidung von Alkalifeldspat und Quarz (quarzmonzodioritische bis quarzmonzonitische Zusammensetzung). Im „Durchschnitt“ ist das Gestein nach der von der IUGS empfohlenen Klassifikation ein Quarz-Diorit bis Quarz-Monzonit.

Abb. 10: Nahaufnahme eines weiteren Orbiculs.
Abb. 11: Orbicul mit undeutlich artikuliertem Kern und Schale.
Abb. 12: Ein Bruchstück eines großen Orbiculs mit gleichkörnigem Kern und drei dunklen Schalen wurde nachfolgend von einer vollständigen feinkörnigen Schale umwachsen. Bild: M. Bräunlich, kristallin.de.
Abb. 13: Nahaufnahme. Bild: M. Bräunlich, kristallin.de.

Orbiculite entstehen, vereinfacht gesagt, im Randbereich größerer Intrusionen unter besonderen Kristallisationsbedingungen. In einem noch weitgehend schmelzflüssigen Magma mit wenig Kristallisationskeimen kann es durch Injektion von Fluiden zu einer raschen Unterkühlung und damit zu einer Übersättigung bestimmter Minerale innerhalb der Schmelze kommen. Ein komplexes Zusammenspiel aus Temperatur, Druck und Fluiden kann für eine Zeitlang eine episodische Kristallisation steuern, die sich in der Ausscheidung wechselnder Mengen mafischer Minerale und Feldspat in Gestalt konzentrischer Schalen um bereits erstarrte Partien vollzieht. Dieses einfache Genesemodell unterscheidet von Fall zu Fall (MEYER 1989, 1997). LINDH & NÄSSTRÖM 2006 geben ausführliche Erläuterungen zur Entstehung des Orbiculits von Slättemossa (Südschweden).

Den wenigen bekannten und im Allgemeinen sehr kleinen Anstehendvorkommen von Orbiculiten in Nordeuropa steht eine weitaus größere Zahl von Geschiebefunden gegenüber. Insgesamt sind aus Schweden 16 (anstehend 5), Norwegen (incl. Spitzbergen) 5 (anstehend 5) und Finnland 94 (anstehend 31) Fundlokalitäten bekannt (BURGATH & MEYER 2012). Vor allem die in LATHI 2005 hervorragend dokumentierten Geschiebefunde aus Finnland belegen, dass es zahlreiche weitere und bisher unbekannte Vorkommen geben muss, sofern diese nicht vom Inlandeis vollständig abgetragen wurden. Als mögliches Liefergebiet von Orbiculit-Geschieben kommen auch die unter Wasser gelegenen Bereiche des svekofennischen Grundgebirges in der nördlichen Ostsee in Frage.

Eine Herkunftsbestimmung von Orbiculitgeschieben aus Norddeutschland, Dänemark, Polen oder den Niederlanden ist kaum möglich. Bisher konnte in keinem einzigen Fall eine petrographische Übereinstimmung mit Anstehendproben glaubhaft nachgewiesen werden, so auch nicht beim hier vorgestellten Orbiculit von Hohensaaten. In jedem einzelnen Orbiculit-Vorkommen ist mit einer breiten petrographischen Variabilität zu rechnen. BURGATH & MEYER 2012 beschreiben alle bis dahin bekannten Geschiebefunde von Orbiculiten aus Norddeutschland (5 Funde), Dänemark (2 Funde), den Niederlanden (3 Funde) und dem heutigen Westpolen (1 Fund). Hinzu kommt ein weiterer Fund durch JENSCH 2013 in den Arkenbergen im Nordosten Berlins sowie drei weitere Orbiculite (incl. des Fundes aus Hohensaaten), beschrieben von TORBOHM et al. 2022.

Abb. 14: Der Orbiculit von Hohensaaten war für einige im Mineralogischen Museum Hamburg als Dauerleihgabe aus der Slg. M. Torbohm ausgestellt und befindet sich nun in einer Hamburger Geschiebesammlung (Bild: M. Bräunlich, kristallin.de).

Literatur

BURGATH K P & MEYER K-D 2012 Orbiculite und ähnliche Geschiebe in Norddeutschland und Dänemark (Glacial erratics of Orbiculite and similar rocks in Northern Germany and Den-mark).- Archiv für Geschiebekunde 6 (4): 239-276.
Eskola P 1938 On the esboitic crystallization of orbicular rocks.- Journal of Geology 46: 448-485.

FREIBERG T M 2021 Orbiculit vom Hubertsberg.- Ein rarer Geschiebefund aus der Kieler Bucht.- Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Mecklenburg 21: 9-10.

JENSCH J-F 2013 Ein Orbiculit von den Arkenbergen nördlich Berlin.- Geschiebekunde aktuell 29 (1): 29-31.

LAHTI S I [mit Beitr. von Raivio P & Laitakari I] 2005 Orbicular rocks in Finland.- 177 S.; Helsinki (Geological Survey of Finland).

LINDH A & NÄSSTRÖM H 2006 Crystallization of orbicular rocks exemplified by the Slättemossa occurrence, southeastern Sweden.- Geological Magazine 143 (5): 713-722.

MEYER H-P 1989 Zur Petrologie von Orbiculiten.- Dissertation der Fakultät für Bio- und Geowissenschaften der Universität Karlsruhe, 238 S.; Karlsruhe.

MEYER H-P 1997 Orbiculite – faszinierende granitoide Gesteine.- Geowissenschaften 15 (12): 385-391.

TORBOHM M, KALBE J, SCHNICK H, BRÄUNLICH M & OBST K 2022 Neufunde von Orbiculit-Geschieben in Norddeutschland [New records of glacial erratics of orbiculitic rocks] – Archiv für Geschiebekunde 8 (3): 149-166, 20 Abb., Hamburg/Greifswald Dezember 2022. ISSN 0963-2967.