Geologische Streifzüge in SW-Schweden

3.4. Stensjöhamn

Der Küstenabschnitt bei Stensjöhamn (Lok. 3.4 auf der Karte), unmittelbar nördlich von Glassvik, bietet eine ganze Reihe interessanter Aufschlüsse, u. a. migmatitische Granatamphibolite, granulitfaziell gebildete Orthopyroxen-Megakristalle und Sillimanitgneise (JOHANSSON 2011, HANSEN et al. 2015). Ausgehend vom Parkplatz (56.78949, 12.61967) hält man sich an der Küste in nördlicher Richtung und erreicht zunächst Aufschlüsse von migmatitischen Quarz-Feldspat-Gneisen und Amphibolgneisen. Auch hier ist von einer komplexen metamorphen Geschichte der Gesteine und mindestens zwei Phasen der Deformation auszugehen, dem Halland-Event vor 1.420-1.440 Ma und der svekonorwegischen Orogenese vor 980-950 Ma.

Abb. 1: Küste bei Stensjöhamn.
Abb. 2: Migmatitische Quarz-Feldspat-Gneise mit hellen, annähernd parallel zur Foliation verlaufenden Quarz-Feldspat-Leukosomen. Bildbreite ca. 3 m.
Abb. 3: Rotgrauer Quarz-Feldspat-Adergneis (schwach magnetisch), Anstehendprobe von Stensjöstrand.
Abb. 4: Verfalteter Amphibolitgang in einem grauen Quarz-Feldspat-Gneis. Breite des Gangs etwa 150 cm.
Abb. 5: Migmatitischer Amphibolit. Diskordant zur Foliation verlaufende weiße Leukosome aus Plagioklas verweisen auf eine erneute metamorphe Überprägung des Gesteins während der svekonorwegischen Gebirgsbildung. Die gebänderte und mafitreiche Partie in der Bildmitte enthält keine Leukosome.
Abb. 6: Boudinageartige Einschaltungen von grünlichen Kalksilikatgesteinen in einem migmatitischen Amphibolit, Bildbreite 1 m.

Als Boudinage bezeichnet man ellipsoide Gefügeeinheiten in migmatitischen Gneisen. Boudinage entsteht, wenn dünne Gesteinslagen während der Deformation unterbrochen werden und in einzelne linsenförmige Einheiten zerfallen. Das grünliche (epidothaltige) Kalksilikatgestein dürfte sedimentären Ursprungs sein.

Abb. 7: Helles Feldspat-Leukosom mit Boudinage-Struktur in einem Amphibolit. Bildbreite etwa 1 m.

Eine Besonderheit der Lokalität Stensjöstrand sind Megakristalle von Orthopyroxen (Enstatit). Ihre Position innerhalb der Leukosome der Amphibolgneise lässt darauf schließen, dass sie während der partiellen Aufschmelzung des Wirtgesteins entstanden (HANSEN et al 2015).

Abb. 8: Relikte von grünen Orthopyroxen-Megakristallen innerhalb heller Leukosome eines Granatamphibolits. Bildbreite 70 cm.
Abb. 9: Nahaufnahme eines großen Orthopyroxens, umgeben von einem Saum aus dunklem Amphibol (bzw. Amphibol-Quarz-Symplektiten) sowie rotem Granat.

Unter granulitfaziellen Bedingungen (1 GPa, 800 Grad) und der Abwesenheit von Fluiden (sog. Dehydrationsschmelzen) kommt es zu einem Zerfall von Biotit und Amphibol unter Bildung von Orthopyroxen:

Bt + Hbl + Pl +/- Qtz ↔ Opx+ Schmelze + Cpx + Gt

Einige Orthopyroxen-Megakristalle sind von einem Saum aus retrograd gebildeten Hornblende-Quarz-Symplektiten umgeben, die als Barriere eine weitere Umwandlung der Megakristalle verhinderten, während andere Orthopyroxe retrograd in Chlorit umgewandelt wurden.

Migmatite mit Orthopyroxen-Megakristallen treten an verschiedenen Lokalitäten in SW-Schweden auf (s. a. Söndrum). Vorkommen dieser aus Dehydrationsschmelzen unter granulitfaziellen Bedingungen gebildeten Orthopyroxene dürften sich auf die südwestschwedische Granulitregion beschränken. Der Gesteinstyp könnte als Leitgeschiebe geeignet sein, allerdings ist eine sichere Bestimmung von Orthopyroxen mit einfachen Mitteln kaum möglich.

Abb. 10: Aufschluss eines migmatitischen Granatamphibolits mit Plagioklas-Leukosomen („plagioklasschlieriger Granatamphibolit“) an der Küste von Stensjöhamn.
Abb. 11: Granatamphibolit mit hellen Plagioklas-Leukosomen, Bildbreite 125 cm.
Abb. 12: Migmatitischer Granatamphibolit; große Granat-Porphyroblasten sind von hellen Plagioklas-Leukosomen umgeben.
Abb. 13: Probe eines migmatitischen Granatamphibolits, Nahaufnahme der frischen Bruchfläche. Das Gestein von der Lokalität Stensjöstrand besteht im Wesentlichen aus Amphibol, Plagioklas und Granat; nach HANSEN et al 2015 enthält es auch geringe Mengen von Pyroxen, Biotit und Apatit.
Abb. 14: Amphibol-Gneise bis Amphibolite mit hellen und diskordant zur Foliationsrichtung verlaufenden Leukosomen. Bildbreite etwa 2 m.

Die Löcher im Fels stammen von einem Bohrgerät, mit dem Proben zum Zwecke einer Datierung entnommen wurden. Die Datierung isolierter Zirkone ergab ein Kristallisationsalter von 1.415-1.390 Ma. Anwachssäume um die gleichen Zirkone verweisen auf eine Metamorphose während der svekonorwegischen Orogenese vor 975-965 Ma (HANSEN et al. 2015).

Abb. 15: Küstenlandschaft bei Stensjöhamn.

Nördlich des kleinen Hafens (Stensjöhamn) ändert sich die Zusammensetzung der Gesteine. Hier stehen plattige, teilweise stark gefaltete Sillimanit-Gneise an, die durch Verwitterung bizarre Formen annehmen können.

Abb. 16: Sillimanitgneise bei Stensjöhamn.
Abb. 17: Die komplexe Faltenstruktur der Sillimanitgneise tritt durch Verwitterung in bizarren Formen hervor.
Abb. 18: Verfaltete Sillimanitgneise. Bildbreite etwa 2 m.
Abb. 19: Anstehender Sillimanitgneis, Nahaufnahme; Bänder aus weißem bis gelblichem und plattig ausgebildetem Sillimanit entlang der Foliationsrichtung.
Abb. 20: Sillimanit-Gneise, Brandungsgerölle am Ufersaum.
Abb. 21: Sillimanitgneis mit rotem Granat, Brandungsgeröll vom Anstehenden, Aufnahme unter Wasser. Sillimanit ist durch Verwitterung gelblich gefärbt und durchzieht das Gestein in breiten Streifen.
Abb. 22: Gleicher Stein, trockene Oberfläche. Die Grundmasse besitzt ein nahezu gleichkörniges Gefüge aus deutlich voneinander abgesetzten Körnern aus Quarz, Feldspat und Amphibol.
Abb. 23: Nahaufnahme unter Wasser. Schwarzer Amphibol in stengeliger Ausbildung durchsetzt ein größeres Granat-Aggregat.

In Stensjöstrand finden sich neben Brandungsgeröllen anstehender Gesteine auch Geschiebe, u. a. zwei „alte Bekannte“: ein Kinne-Diabas aus Westschweden sowie ein NW-Dolerit, dessen Anstehendes eigentlich viel weiter südlich liegt. Auch zwei Rapakiwi-Granite mit vermuteter Herkunft vom Åland-Archipel wurden aufgelesen. Im Weichsel-Glazial änderte der Baltische Eisstrom im Gebiet der südlichen Ostsee seine ursprünglich südliche Zugrichtung und nahm einen ost-westlichen und schließlich sogar nördlichen Verlauf. Dies dürfte auch der Grund für Funde von NW-Dolerit und Åland-Gesteinen nördlich bzw. weit abseits von ihrem Herkunftsgebiet sein.

Abb. 24: Kinne-Diabas und NW-Dolerit, Geschiebe von Stensjöstrand. Breite der Steine jeweils etwa 9 cm.
Abb. 25: Plagioklasschlieriger Granatamphibolit, Geröll von Stensjöstrand. Max. 4 cm große Granat-Porphyroblasten sind von einem hellen Plagioklas-Saum umgeben. Breite des Steins 16 cm.
Abb. 26: Grobkörniger, wahrscheinlich postkinematisch entstandener Pegmatit aus rotem Alkalifeldspat, grauem Quarz und gelbem Plagioklas (keine Plattenquarze; kein Flammenpegmatit); Breite des Steins 80 cm.

3.5. Träslövsläge

In Träslövsläge (Lok. 3.5 auf der Karte), einem kleinen Fischerort südlich von Varberg, sollten sich etwa 200 m westlich der Kirche mehrere Aufschlüsse befinden (MÖLLER et al 1996: 32-33). Mittlerweile ist der Strandbereich allerdings stark verwachsen, nur eine Lokalität konnte ausfindig gemacht werden. Ein mafischer Granulit zeigt Relikte einer magmatischen Schichtung. Individuelle Lagen unterschiedlicher Dicke stehen diskordant zur Foliationsrichtung.

Abb. 27: Reliktische magmatische Schichtung in einem mafischen Granulit. Bildbreite ca. 60 cm.
Abb. 28: Schonengranulit, einzelnes Strandgeröll von Södra Näs, 2 km NW von Träslövsläge.

Literatur

HANSEN E, JOHANSSON L, ANDERSSON J, LABARGE L, HARLOV D, MÖLLER C & VINCENT S 2015 Partial melting in amphibolites in a deep section of the Sveconorwegian Orogen, SW Sweden – LITHOS (2015), Vol. 236-237, S. 27-45.

JOHANSSON L 2011 Bergrundsgeologi in Stensjöstrands Naturreservat – 7 S., Geologiska Institutionen Lunds Universitet.

MÖLLER C, JOHANSSON L, ANDERSSON J & SÖDERLUND U 1996 Southwest-Swedish Granulite Region – Berichte der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft, Beih. z. Eur. J. Mineral. Vol. 8, 1996, No.2.


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