Schlagwort-Archive: Orbiculit

Der Boogardie-Orbiculit im Berliner Tiergarten

Abb. 1: Ensemble aus fünf großen Blöcken des Boogardie-Orbiculits, gruppiert um einen Block aus archaischem Bändereisenerz (BIF), wahrscheinlich ebenfalls aus Westaustralien.

Wer sich für Orbiculite interessiert, kann im Berliner Tiergarten einen besonders attraktiven Vertreter dieser seltenen und exotischen Plutonite bewundern. Fünf große Orbiculit-Blöcke mit polierter Oberfläche befinden sich nördlich der Lenné-Straße (52.513267, 13.373827) und sind Teil des „Global Stone Projects“, einer Skulpturengruppe aus Werksteinen aus der ganzen Welt.

Der Boogardie-Orbiculit stammt aus Westaustralien, einem Steinbruch bei Boogardie Station, etwa 35 km westlich der Goldmine Mount Magnet (-28.061113, 117.484848). Es handelt sich um den weltweit wohl ältesten Orbiculit mit einem Alter von 2.692 Millionen Jahren, zugleich um den bisher einzigen bekannten Orbiculit auf diesem Kontinent. Das Vorkommen bildet einen flachen ovalen Körper von geschätzt 300 m Länge und maximal 15 m Mächtigkeit, eingebettet in einen etwas älteren Granodiorit bis Tonalit. Eine petrographische Beschreibung des Gesteins ist FETHERSTON 2010 zu entnehmen, s. a. BEVAN 2004 und BEVAN & BEVAN 2009.

Abb. 2: Polierte Oberfläche des Boogardie-Orbiculits. Die Orbicule liegen dicht gepackt, teilweise berühren sie sich. Oben erkennt man einen scharfen Übergang zum Wirtgestein, einer grobkörnigen Partie ohne Orbicule.
Abb. 3: Partie mit weitgehend intakten Orbiculen in dichter Packung. Das Gestein ist von zwei Rissen durchzogen, die die Orbicule durchschlagen und gegeneinander verstellt haben: die jeweiligen Seiten passen nicht zueinander. Bildbreite 40 cm.
Abb. 4: Stellenweise finden sich Partien, in denen die Orbicule besonders dicht liegen. Wahrscheinlich waren die Orbicule zur Zeit ihrer Bildung relativ beweglich innerhalb der Schmelze und haben sich später in dieser Zone gravitativ angereichert. Bildbreite 42 cm.

Die meisten der 5-10 cm großen Orbicule weisen ovale, nur einige wenige von ihnen nahezu kreisrunde Anschnitte auf. Darüber hinaus sind zahlreiche unregelmäßige Konturen oder Bruchstücke von Orbiculen erkennbar. Die Orbicule bestehen im Wesentlichen aus Plagioklas und Amphibol (Hornblende) und sind dioritisch zusammengesetzt. Ihre Kerne sind grob- bis mittelkörnig, im Falle von Grobkörnigkeit häufig als Cluster aus Diorit mit radial vom Zentrum ausgehenden Hornblende-Aggregaten. Manche Kerne scheinen lediglich aus einer Ansammlung dunkler Minerale (Amphibol) zu bestehen. Biotit tritt innerhalb der Schalen auf, im Kern ist er nicht erkennbar. Wahrscheinlich ermöglichten Konvektionsströme innerhalb der Magmakammer eine hohe Beweglichkeit der Orbicule, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in einem plastischen Zustand befanden, weil sie oft verformt und teilweise zerbrochen sind. Schließlich scheinen sie sich mittels Schwerkraft abgesetzt zu haben (Abb. 4).

Abb. 5: Am Kontakt zum granodioritischen Nebengestein (rechts) sind die Orbicule weitgehend intakt und liegen etwas lockerer. Sie waren zum Zeitpunkt ihrer Bildung noch verformbar und bekamen durch gegenseitiges Aneinanderstoßen „Ecken“. Bildbreite 35 cm.

Soweit die Minerale auf der polierten Schnittfläche überhaupt bestimmbar sind, ist die Matrix hier ein mittel- bis grobkörniger Granodiorit bis Tonalit aus weißem Plagioklas, wenig rötlichem Alkalifeldspat, hellgrauem Quarz sowie Amphibol und Biotit als dunkle Minerale.

Abb. 6: Detailaufnahme einiger gut ausgebildeter Orbicule mit mehreren Schalen.

Gut ausgebildete Orbicule bestehen aus 5-7 konzentrischen Lagen (Schalen) unterschiedlicher Dicke. Bestimmende Minerale sind schwarze Hornblende und weißer, im grobkörnigen Kern auch leicht grünlicher Plagioklas. Die Kristallisation der länglichen Hornblende- und Plagioklas-Aggregate innerhalb der dickeren Schalen erfolgte radial, d. h. senkrecht zur Kugel- bzw. Ellipsoid-Oberfläche. In manchen Schalen erkennt man, dass die länglichen Hornblenden nach innen spitz zulaufen. Die dunkleren Außenschalen enthalten mehr Amphibol sowie etwas mehr Biotit.

Abb. 7: Orbicule mit grobkörnigem Kern und annähernd radial ausgerichteten Hornblende-Aggregaten, gefolgt von 5-6 konzentrischen Schalen unterschiedlicher Dicke, jeweils mit ebenfalls radial ausgerichteten Kristallen. Nass fotografiert.

Die konzentrischen Lagen (Schalen) der Orbicule sind das Ergebnis episodischer Kristallisationsereignisse, jeweils ausgelöst durch Veränderungen der physikalischen und chemischen Bedingungen innerhalb der Schmelze. Die radiale Anordnung der Mineralkörner in den Schalen lässt auf eine rasche Kristallisation unter den thermodynamisch günstigsten Bedingungen bei gleichzeitiger Armut an Kristallisationskeimen schließen, vergleichbar mit der Bildung radialer „Kristallite“ in Vulkaniten mit sphärolithischer Textur. Die radiale Ausrichtung der Minerale scheint immer mit der Bildung der folgenden Schale von neuem begonnen zu haben.

Abb. 8: Angewitterte Bruchfläche mit kontrastreich ausgebildeten Orbiculen.
Abb. 9: Nahaufnahme eines einzelnen Orbiculs auf einer angewitterten Bruchfläche.

Die Entstehung der Orbicule steht im Zusammenhang mit einer dynamischen Kristallisationsgeschichte eines wahrscheinlich flüssigkeitsreichen und unterkühlten dioritischen Magmas (BEVAN 2004). Zufuhr von wässrigen Fluiden führte zu einer Unterkühlung des Magmas, bei der die gewöhnliche gleichkörnige Kristallisation verzögert und bereits vorhandene Kristallisationskeime zerstört wurden. Unterhalb des kritischen Punktes kristallisieren zunächst Plagioklas und Hornblende. Einmal begonnen, verläuft der Prozess recht schnell, weil für eine Kristallisation an einem bereits vorhandenem Festkörper weniger Energie erforderlich ist als zur Bildung von Kristallisationskeimen. Die konzentrischen Ringe entstanden nach und nach durch dynamische Kristallisation und lokalen Variationen in Temperatur und Sättigung der Minerale innerhalb der Schmelze. Zu diesem Zeitpunkt konnten sich die Orbicule wohl frei in der Schmelze bewegen, angetrieben durch Konvektionsströme innerhalb der Magmakammer. Einige Orbicule sammelten sich am „Boden“ der Magmakammer, andere blieben in der Matrix oder stießen sanft aneinander. Zuletzt erstarrte die Matrix und fixierte die Orbicule.

Abb. 10: Intakte und zerbrochene Orbicule in einer hellen und grobkörnigen Matrix, flankiert von mittel- und gleichkörnigen Partien des Wirtgesteins.
Abb. 11: Eine jüngere Pegmatitader durchschlägt einzelne Orbicule. Bildbreite an der Basis 45 cm.
Abb. 12: Einer der Blöcke zeigt eine scharfe Grenze heller und gebänderter kleinkörniger Partien zum Orbiculit. Auf der rechten Seite begrenzt ein Pegmatit den Orbiculit, gefolgt von einem inhomogenem Granodiorit (ganz rechts). Breite 125 cm.
Abb. 13: Scharfe Grenze zwischen kleinkörnigem Plutonit und Orbiculit. Bildbreite 42 cm.
Abb. 14: Aplitähnliche kleinkörnige Partie im Detail, Übergang in einen schriftgranitischen Pegmatit.
Abb. 15: Grenze Orbiculit – tonalitischer Pegmatit, Bildbreite 28 cm.
Abb. 16: Bändereisenerz mit polierter Partie im Zentrum des Ensembles, sehr wahrscheinlich auch aus Westaustralien. Breite ca. 1 m.
Abb. 17: Die polierte Fläche lässt sich aufgrund der Reflektion des metallisch glänzenden Hämatits nicht gut fotografieren. Bildbreite ca. 25 cm.

Links und Literatur

Bericht über den Boogardie-Orbiculit 1

Bericht über den Boogardie-Orbiculit 2

Seite des Steinbruch-Betreibers

BEVAN J 2004 Archaean orbicular granitoids from Boogardie, near Mt Magnet, in Western Australia – Dynamic Earth: Past, Present and Future: Geological Society of Australia, Abstracts 73, 17th Australian Geological Convention, Hobart, p. 252.

BEVAN J C & BEVAN A W R 2009 Nature and origin of the orbicular granodiorite from Boogardie Station, Western Australia: an ornamental stone of monumental proportions – The Australian Gemmologist vol. 23, p. 373–432.

FETHERSTON J M 2010 Dimension stone in Western Australia. Volume 2, Dimension stones of the southern, central western, and northern region. Geological Survey of Western Australia, Mineral Resources Bulletin 24, p. 35–43.

Orbiculit von Slättemossa

Abb. 1: Orbiculit von Slättemossa, Bildbreite 80 cm.

Zweifellos der Höhepunkt jeder Småland-Exkursion ist ein Besuch des Orbiculits von Slättemossa, gelegen etwa 3 km südlich von Järnforsen. Orbiculite sind seltene Plutonite mit einem exotischen Gefüge: in einer regellosen und grobkörnigen Grundmasse (Matrix) liegen zahlreiche runde bis ovale und feinkörnigere Aggregate (Orbicule) mit einem Durchmesser von mehreren (ca. 5-15) cm, die einen konzentrisch-schaligen Aufbau im Millimeter- bis Zentimetermaßstab aufweisen.

Das Gestein an der Lokalität Slättemossa, zuerst beschrieben von HOLST & EICHSTÄDT 1884 und BÄCKSTRÖM 1894, ist eines der wenigen bekannten Aufschlüsse von Orbiculiten in Schweden. Ein Waldweg mit dem Hinweisschild klotgranit (schwed.) führt zum ersten Aufschluss, ein zweiter befindet sich 50 m entfernt und konnte in der dichten Vegetation nur mit Mühe nach einiger Suche ausfindig gemacht werden. Das Vorkommen steht unter strengem Schutz, Probenahmen sind hier verboten!

Der Orbiculit von Slättemossa wird von LINDH & NÄSSTRÖM 2006 ausführlich beschrieben. Es handelt sich um einen Quarz-Monzodiorit, der geologisch zum Transskandinavischen Magmatitgürtel (TIB) gehört und ein ungefähres Alter von 1,81-1,77 Ga aufweist. Das Vorkommen liegt in unmittelbarer Nähe einer basischen Intrusion (Gabbro bis Diorit), die Grenze zu den etwas älteren Gesteinen des Oskarshamn-Jönköping-Gürtels (OJB) befindet sich nur wenige hundert Meter südlich.

Abb. 2: Verwitterte Oberfläche des Orbiculits, Bildbreite 65 cm. Das lebhafte Relief ist auf die bevorzugte Auswitterung der mafitreichen (biotitreichen) Schalen zurückzuführen.
Abb. 3: Ein zweiter, wenige Quadratmeter großer Aufschluss zeigt eine scharfe Grenze zum quarzmonzonitischen Nebengestein. Hier ist die Verwitterung im Vergleich zu Abb. 2 deutlich weniger fortgeschritten. Bildbreite etwa 2 Meter.
Abb. 4: Bildbreite 70 cm.

Die Orbicule weisen unregelmäßig eiförmige bis ellipsoide Umrisse sowie eine gewisse Einregelung auf. Nach LINDH 2006 könnte das flüssige Magma zwischen den noch verformbaren Orbiculen ausgepresst, diese in der Folge zusammengedrückt und durch magmatische Lamination eingeregelt worden sein.

Abb. 5: Einige Orbicule bekamen beim Aneinanderstoßen „Ecken“. Bildbreite 40 cm.
Abb. 6: Eine Stelle des Gesteins wurde vom Flechtenbewuchs befreit. Die Orbicule besitzen hier einen weitgehend einheitlichen Aufbau.

Die grobkörnige Matrix besteht aus grünlichen Plagioklas, blassrotem Alkalifeldspat sowie Biotit und Amphibol als dunkle Minerale. Größere Quarzkörner sind nicht wahrnehmbar. Der Kern der Orbicule ist monzodioritisch (Plagioklas + Alkalifeldspat + dunkle Minerale) zusammengesetzt (LINDH 2009). Die 3-8 mm breiten Schalen der Orbicule sind deutlich feinkörniger als der Kern und zeichnen sich durch wechselnde Anteile an Feldspat und Mafiten aus. Die Grenze zwischen der ersten dunklen und hellen Schale ist scharf, ebenso der Übergang von äußerer Schale zur Matrix, ein Hinweis auf plötzlich veränderte Kristallisationsbedingungen innerhalb der Schmelze.
Magnetit ist im Kern und den folgenden Schalen mit einem Handmagneten nicht nachweisbar, aber deutlich in der Außenschale und in der Matrix.

Abb. 7: Nahaufnahme eines Orbiculs. Abbildung ohne Beschriftung.

Der grob- bis mittelkörnige Kern der Orbicule (1) ähnelt im Mineralbestand der einbettenden grobkörnigen Matrix (5). Dem Kern folgt eine mafitreiche und feinkörnige Schale (2) mit scharfer Grenze zu einer helleren Schale (3). Die Grünfärbung in den Schalen, weniger aber im Kern der Orbicule sowie in der umgebenen Matrix, z. B. durch vergrünte Ca-reiche Plagioklase oder der Anwesenheit von Chlorit, lässt auf einen stärkeren Einfluss hydrothermaler Alteration während der Orbicul-Bildung schließen. Die helle Schale zeigt einen allmählichen Übergang in eine mafitreichere Außenschale (4), die zum Rand hin reicher an Biotit ist und sich scharf von der grobkörnigen Matrix (5) abgrenzt.

Abb. 8: Gleiches Orbicul, nass fotografiert.

Die Bildung der Orbicule ist auf eine episodische, konzentrisch um einen Kern erfolgte Kristallisation wechselnder Mengen Feldspat und dunkler Minerale unter veränderlichen Bedingungen in der Schmelze zurückzuführen (LINDH 2006). Ausgangspunkt ist die „normale“ Kristallisation der Kerne (1). Eine plötzliche Zufuhr von Volatilen (leichflüchtige Bestandteile wie Wasser oder CO2) erniedrigt den Liquidus (Punkt, an dem die Kristallisation einer Schmelze einsetzt) und unterbindet die weitere Kristallisation durch Zerstörung aller Kristallkeime. Abkühlung der Schmelze führt zu Bedingungen, unter denen die Kristallisation der ersten Schale erfolgt, unter Abnahme der Korngröße. Die scharfe Grenze zwischen erster dunkler und erster heller (plagioklasreicher) Schale (Abb. 7) lässt plötzliche Veränderungen der Kristallisationsbedingungen vermuten, kombiniert mit einer Verarmung mafischer Minerale in der Schmelze. Das Schmelzgleichgewicht verschiebt sich nach dem Verbrauch des Plagioklas-Überschusses wieder zugunsten einer Kristallisation von Plagioklas und mafischen Mineralen: die nächste Schale entsteht, gefolgt von einer dünnen Übergangszone. Schließlich bildete sich unter „normalen“ Kristallisationsbedingungen die grobkörnige Matrix.

Abb. 9: Orbiculit von Slättemossa, loser Stein vom Anstehenden, polierte Schnittfläche.
Abb. 10: Nahaufnahme des linken Orbiculs mit kontrastreich abgesetzter Zonierung der Schalen.

Beim Übergang der ersten hellen zur nächsten Schale erkennt man senkrecht zur Orbicul-Oberfläche ausgerichtete dunkle Minerale. Diese radiale Textur weist auf eine rasche Kristallisation hin.

Abb. 11: Der Anschnitt des rechten Orbiculs zeigt mehr vom gleichkörnigen Kern.

Literatur

BÄCKSTRÖM H 1894 Tvenne nyupptäckta svenska klotgraniter – Geologiska Föreningens i Stockholm Förhandlingar 16, S. 107–130.

HOLST N O & EICHSTÄDT F 1884 Klotdiorit från Slättmossa, Järed socken, Kalmar län – Geologiska Föreningens i Stockholm Förhandlingar 7, S. 134-142.

LINDH A & NÄSSTRÖM H 2006 Crystallization of orbicular rocks exemplified by the Slättemossa occurrence, southeastern Sweden – Geol. Mag. 143 (5), 2006, S. 713-722. Cambridge University Press.

Der Orbiculit von Hohensaaten

Abb. 1: Fundsituation des Orbiculits auf einer Halde mit Großgeschieben in der Kiesgrube Hohensaaten. Länge 42 cm.

Orbiculite gehören zu den seltensten Geschiebetypen. Für den Sammler kristalliner Geschiebe ist der Fund eines Orbiculits quasi der „Lottogewinn“. Die plutonischen Gesteine fallen durch ihr kurioses und attraktives Erscheinungsbild auf. Eingebettet in eine regellose und vergleichsweise grobkörnige Grundmasse (Matrix) liegen zahlreiche, meist eiförmige Aggregate (Orbicule), die einen konzentrisch-schaligen Aufbau im Millimeter- bis Zentimetermaßstab aufweisen und Durchmesser von ca. 5-15 cm erreichen. Die Seltenheit der Orbiculite erklärt sich durch die geringe Ausdehnung ihrer Vorkommen. Aus dem Einzugsgebiet der nordischen Inlandvereisungen sind einige von ihnen bekannt, eine weit höhere Anzahl blieb aber bisher unentdeckt. Der Autor (Marc Torbohm) hatte im April 2018 das Glück, ein Orbiculit-Geschiebe in der Kiesgrube Hohensaaten an der Oder (Ost-Brandenburg) zu finden und für 2,68 € zu erwerben, was dem gewöhnlichen Preis für 60 kg Überkorn entspricht. Der Fund von Hohensaaten wird in TORBOHM et al. 2022 (download) eingehend beschrieben, neben zwei weiteren weiteren Orbiculit-Geschieben aus Norddeutschland.

Abb. 2: Orbiculit von Hohensaaten, nass fotografiert.

Das Gestein enthält zahlreiche, in Form, Größe, Farbe, Textur und Aufbau variable Orbicule in dichter Packung. Die wenigsten Orbicule sind ideal kugelförmig, die meisten zeigen einen elliptischen Anschnitt, einige sind auch stärker deformiert. Dies ist auf eine plastische Deformation der noch duktilen Orbicule in der Schmelze zurückzuführen.

Abb. 3: Aufnahme unter Wasser (Bild: M. Bräunlich, kristallin.de).
Abb. 4: Rückseite, Aufnahme unter Wasser (Bild: M. Bräunlich, kristallin.de).

Insgesamt sind etwa 50 Orbicul-Anschnitte erkennbar, die meisten davon größer als 5 cm. Ein einzelnes Orbicul erreicht eine Länge von 20 cm (Abb. 12). Innerhalb der Orbicule lassen sich ganz unterschiedliche Texturen und Mengenverhältnisse der beteiligten Minerale beobachten. Mehrheitlich besitzen sie einen einfachen Aufbau und bestehen aus einem größeren Kern sowie einer schmalen Schale. Orbicule mit komplexem Aufbau (Abb. 3, 4) weisen einen kleineren Kernbereich und mehrere konzentrische Schalen auf. Die einzelnen Schalen zeichnen sich durch unterschiedliche Korngrößen und Mengenanteile an Feldspat (Plagioklas) und Amphibol aus. Sowohl scharf zur Grundmasse begrenzte Ränder der Orbicule, als auch allmähliche Übergänge sind zu beobachten, manchmal auch an einem einzigen Orbicul.

Abb. 5: Detailaufnahme einiger Orbicule sowie der grobkörnigen Matrix.

Die grobkörnige Matrix besteht im Wesentlichen aus weißem, durch perthitische Entmischung auch leicht grauem bis bläulichem Alkalifeldspat (bis 20 mm), schwarzem Amphibol (Kristalle bis 10 mm) und ebenfalls weißem Plagioklas (erkennbar an der polysynthetischen Verzwilligung). Stellenweise sowie in Nestern ist etwas Glimmer erkennbar. Der Quarz ist z. T. gelblich verfärbt und sitzt in den Feldspatzwickeln (kristallisierte also zuletzt aus). Die Zusammensetzung der Matrix ist quarzmonzodioritisch bis quarzmonzonitisch.

Abb. 6: Im trockenen Zustand sind die Minerale der grobkörnigen Matrix gut erkennbar: weißer Alkalifeldspat (mit perthitischen Entmischungen), schwarzer Amphibol sowie farbloser und transparenter Quarz. Bild: M. Bräunlich, kristallin.de.
Abb. 7: Auf der nassen Oberfläche ist zusätzlich etwas goldbrauner Biotit erkennbar. Bild: M. Bräunlich, kristallin.de.
Abb. 8: Detailansicht einiger Orbicule, teilweise durch gegenseitige Berührung im plastischen Zustand deformiert.

Die Orbicule weisen einen mittelkörnigen Kern mit dioritischer Zusammensetzung auf (Amphibol + Plagioklas). Nach außen folgen kleinkörnige Schalen, die ebenfalls dioritisch zusammengesetzt sind (Plagioklas, Amphibol, Biotit) und sich von Orbicul zu Orbicul in Dicke, Körnigkeit und dem Mengenverhältnis Plagioklas/Amphibol unterscheiden. Die Zusammensetzung der Orbicule wurde durch eine dünnschliffmikroskopische Untersuchung bestätigt. An keinem der Orbicule lässt sich übrigens eine radiale Ausrichtung der Mineralbestandteile in den einzelnen Schalen beobachten, wie sie von vielen anderen Orbiculiten bekannt ist (s. Boogardie-Orbiculit im Berliner Tiergarten).

Abb. 9: Nahaufnahme eines Orbiculs mit deutlichem Schalenbau. Hier sind mindestens drei Schalen erkennbar, mit jeweils kleinen Unterschieden in Mineralgehalt und Korngröße.

Die unterschiedliche Zusammensetzung von Matrix und Orbiculen ist typisch für Orbiculite und steht im Zusammenhang mit wechselnden Kristallisationsbedingungen bei ihrer Entstehung. Im Fall des Orbiculits von Hohensaaten kristallisierten zuerst Plagioklas, Amphibol und etwas Quarz in wechselnden Mengen (quarzdioritische Zusammensetzung der Orbicule). Erst mit der finalen Kristallisation der Matrix kam es vermehrt zur Ausscheidung von Alkalifeldspat und Quarz (quarzmonzodioritische bis quarzmonzonitische Zusammensetzung). Im „Durchschnitt“ ist das Gestein nach der von der IUGS empfohlenen Klassifikation ein Quarz-Diorit bis Quarz-Monzonit.

Abb. 10: Nahaufnahme eines weiteren Orbiculs.
Abb. 11: Orbicul mit undeutlich artikuliertem Kern und Schale.
Abb. 12: Ein Bruchstück eines großen Orbiculs mit gleichkörnigem Kern und drei dunklen Schalen wurde nachfolgend von einer vollständigen feinkörnigen Schale umwachsen. Bild: M. Bräunlich, kristallin.de.
Abb. 13: Nahaufnahme. Bild: M. Bräunlich, kristallin.de.

Orbiculite entstehen, vereinfacht gesagt, im Randbereich größerer Intrusionen unter besonderen Kristallisationsbedingungen. In einem noch weitgehend schmelzflüssigen Magma mit wenig Kristallisationskeimen kann es durch Injektion von Fluiden zu einer raschen Unterkühlung und damit zu einer Übersättigung bestimmter Minerale innerhalb der Schmelze kommen. Ein komplexes Zusammenspiel aus Temperatur, Druck und Fluiden kann für eine Zeitlang eine episodische Kristallisation steuern, die sich in der Ausscheidung wechselnder Mengen mafischer Minerale und Feldspat in Gestalt konzentrischer Schalen um bereits erstarrte Partien vollzieht. Dieses einfache Genesemodell unterscheidet von Fall zu Fall (MEYER 1989, 1997). LINDH & NÄSSTRÖM 2006 geben ausführliche Erläuterungen zur Entstehung des Orbiculits von Slättemossa (Südschweden).

Den wenigen bekannten und im Allgemeinen sehr kleinen Anstehendvorkommen von Orbiculiten in Nordeuropa steht eine weitaus größere Zahl von Geschiebefunden gegenüber. Insgesamt sind aus Schweden 16 (anstehend 5), Norwegen (incl. Spitzbergen) 5 (anstehend 5) und Finnland 94 (anstehend 31) Fundlokalitäten bekannt (BURGATH & MEYER 2012). Vor allem die in LATHI 2005 hervorragend dokumentierten Geschiebefunde aus Finnland belegen, dass es zahlreiche weitere und bisher unbekannte Vorkommen geben muss, sofern diese nicht vom Inlandeis vollständig abgetragen wurden. Als mögliches Liefergebiet von Orbiculit-Geschieben kommen auch die unter Wasser gelegenen Bereiche des svekofennischen Grundgebirges in der nördlichen Ostsee in Frage.

Eine Herkunftsbestimmung von Orbiculitgeschieben aus Norddeutschland, Dänemark, Polen oder den Niederlanden ist kaum möglich. Bisher konnte in keinem einzigen Fall eine petrographische Übereinstimmung mit Anstehendproben glaubhaft nachgewiesen werden, so auch nicht beim hier vorgestellten Orbiculit von Hohensaaten. In jedem einzelnen Orbiculit-Vorkommen ist mit einer breiten petrographischen Variabilität zu rechnen. BURGATH & MEYER 2012 beschreiben alle bis dahin bekannten Geschiebefunde von Orbiculiten aus Norddeutschland (5 Funde), Dänemark (2 Funde), den Niederlanden (3 Funde) und dem heutigen Westpolen (1 Fund). Hinzu kommt ein weiterer Fund durch JENSCH 2013 in den Arkenbergen im Nordosten Berlins sowie drei weitere Orbiculite (incl. des Fundes aus Hohensaaten), beschrieben von TORBOHM et al. 2022.

Abb. 14: Der Orbiculit von Hohensaaten war für einige im Mineralogischen Museum Hamburg als Dauerleihgabe aus der Slg. M. Torbohm ausgestellt und befindet sich nun in einer Hamburger Geschiebesammlung (Bild: M. Bräunlich, kristallin.de).

Literatur

BURGATH K P & MEYER K-D 2012 Orbiculite und ähnliche Geschiebe in Norddeutschland und Dänemark (Glacial erratics of Orbiculite and similar rocks in Northern Germany and Den-mark).- Archiv für Geschiebekunde 6 (4): 239-276.
Eskola P 1938 On the esboitic crystallization of orbicular rocks.- Journal of Geology 46: 448-485.

FREIBERG T M 2021 Orbiculit vom Hubertsberg.- Ein rarer Geschiebefund aus der Kieler Bucht.- Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Mecklenburg 21: 9-10.

JENSCH J-F 2013 Ein Orbiculit von den Arkenbergen nördlich Berlin.- Geschiebekunde aktuell 29 (1): 29-31.

LAHTI S I [mit Beitr. von Raivio P & Laitakari I] 2005 Orbicular rocks in Finland.- 177 S.; Helsinki (Geological Survey of Finland).

LINDH A & NÄSSTRÖM H 2006 Crystallization of orbicular rocks exemplified by the Slättemossa occurrence, southeastern Sweden.- Geological Magazine 143 (5): 713-722.

MEYER H-P 1989 Zur Petrologie von Orbiculiten.- Dissertation der Fakultät für Bio- und Geowissenschaften der Universität Karlsruhe, 238 S.; Karlsruhe.

MEYER H-P 1997 Orbiculite – faszinierende granitoide Gesteine.- Geowissenschaften 15 (12): 385-391.

TORBOHM M, KALBE J, SCHNICK H, BRÄUNLICH M & OBST K 2022 Neufunde von Orbiculit-Geschieben in Norddeutschland [New records of glacial erratics of orbiculitic rocks] – Archiv für Geschiebekunde 8 (3): 149-166, 20 Abb., Hamburg/Greifswald Dezember 2022. ISSN 0963-2967.