Vom Parkplatz am Nordstrand Wittow, etwa 2,5 km westlich von Kap Arkona, führt ein Abstieg zum Strand. Wendet man sich nach Osten, werden die Steine bald größer, und nach 2 km erreicht man Gellort, den nördlichsten Punkt der Insel. Die Steilküste besteht hier wieder aus kreidigen Lockersedimenten. Am Gellort befindet sich auch der Siebenschneiderstein, der viertgrößte Findling auf Rügen.
Der Siebenschneiderstein besitzt ein Volumen von ca. 61m³. Laut Erfassungsbeleg Geotop des GLA Mecklenburg-Vorpommern (Bearbeiter W. Schulz) handelt sich um einen Karlshamm-Granit, einem etwa 1,4 Ga alten anorogenen Granit aus Blekinge in Südschweden.
Ein ausgesprochen interessantes Geschiebe befindet sich am einige hundert Meter westlich vom Siebenschneiderstein.
Ein einsprenglingsarmer grüner Diabas und ein basisches Gestein mit sehr großen Plagioklas-Einsprenglingen steht im Kontakt mit einem sauren Porphyr vom Påskallavik-Typ (rechts unten). Solche Kontakte zwischen Gangporphyr und basischem Magma sind aus Ostsmåland bekannt. In diesen „gemischten Gängen“ nutzte zuerst das saure, später das basische Magma den gleichen Aufstiegsweg. Das basische Magma flankiert den sauren Gangporphyr, entstand also später. Im vorliegenden Fall scheint es mehrere basische Magmenschübe gegeben zu haben. Dabei wurde das feinkörnige und einsprenglingsarme Magma mechanisch mit dem Magma mit körniger Grundmasse und den großen Plagioklas-Einsprenglingen vermengt (magma mingling).
Zwischen Nordstrand und Gellort sind noch weitere interessante Geschiebe zu finden, darunter auffällig viele größere Geschiebe von porphyrischen Amphiboliten (kleinkörnige Metabasite mit großen, runden Amphibol-Granoblasten, sog. „Uralit-Porphyrite“ oder „Uralit-Diabase“, Abb. 14-15).
Auch an diesem Küstenabschnitt ist der Braune Ostsee-Quarzporphyr ein häufiger Geschiebefund. Die nächsten Bilder zeigen zwei ausgefallene Varianten.
2.4. Lohme
Glück beim Finden wie auch beim Schneiden eines kambrischen Sandsteins hatte T. Brückner (Hilter). Der linke Grabgang mit dem Ichnofossil Monocraterion ist perfekt mittig getroffen.
2.5. Sellin
Die nächsten Funde stammen vom Geröllstrand nordwestlich der Seebrücke Sellin.
2.6. Mönchgut
Am südlichen Ende der Halbinsel Mönchgut liegt Klein Zicker. Vom Cafe „Zollhaus“ aus geht man eine niedrige Steilküste aus ockerbraunem Geschiebemergel entlang. Dieser Geschiebemergel des Mönchsguter Eislobus wurde vor 13.000 bis 15.000 Jahren während der weichselglazialen Mecklenburg-Phase abgelagert und ist ein sog. Ausschmelztill, d. h. er entstand durch sukzessives Abschmelzen des Eises während einer Stillstandslage.
Solche grünen Quarzporphyre werden immer wieder gefunden. Einige der eckigen bis kantengerundeten Quarze erinnern zwar an die magmatische korrodierten Quarze im Roten Ostsee-Quarzporphyr, allerdings kommen sie auch in Porphyren aus anderen Gebieten vor (u.a. Rödö).
Im westlichen Teil des Großen Zicker ist eine Steilküste aus Geschiebemergel und Schmelzwassersanden aufgeschlossen. Westlich der Zickerschen Berge liegt ein ausgedehnter Geschiebestrand.
Die Steilküste bei Nienhagen, etwa 8 km westlich von Warnemünde, ist ein aktives Kliff aus weichselkaltzeitlichem Geschiebemergel, Geschiebelehm und Schmelzwassersanden. Hier finden sich zwei jüngere Geschiebemergel der Weichselvereisung, getrennt durch eine dünne Sand-, Kies- bzw. Gerölllage. Der liegende graue Geschiebemergel ist dem Hauptvorstoß des Pommerschen Stadiums vor 15.000 Jahren zuzuordnen, der braune Geschiebemergel dem vor ca. 13.200 Jahren einsetzenden Mecklenburger Stadium. Eine ähnliche Zusammensetzung findet sich am gesamten Küstenabschnitt von Geinitzort bis Kühlungsborn, während weiter östlich, entlang der Stoltera, Geschiebemergel älterer weichselzeitlicher Eisvorstöße abgelagert wurden (SCHULZ & PETERSS 1989, KLAFACK 1996).
Durch fortschreitende Küstenerosion ist das Nienhagener Kliff ständigen Veränderungen unterworfen, entsprechend ergeben sich immer neue Fundmöglichkeiten. Am westlichen Abstieg fallen zunächst große Blöcke von Larvikit ins Auge, die offenbar als Uferbefestigung dienen. Larvikit ist ein Anorthoklas-Syenit und kommt, wie alle übrigen Gesteine aus dem Oslograben sowie SW-schwedische Leitgeschiebe (Schonengranulit, Flammenpegmatit etc.), in Nienhagen nicht als Geschiebe vor.
Kristalline Geschiebe
In Nienhagen überwiegen ganz klar Magmatite und Vulkanite des Transkandinavischen Magmatitgürtels (TIB). Der Anteil an Åland- bzw. Rapakiwi-Gesteinen ist nicht besonders hoch (keine Bilder), der Braune Ostseeporphyr tritt hingegen sehr häufig auf. Dieser unterliegt – wie alle Vulkanite – Variationen hinsichtlich Farbe und Gefüge. Gemeinsame Merkmale dieses Porphyrtyps sind: Reichtum an Einsprenglingen, dichte Grundmasse, kleine Quarze, mafische Enklaven.
Bei gehäuften Funden des Braunen Ostsee-Quarzporphyrs ist auch vermehrt mit Funden des Ostsee-Syenitporphyrs zu rechnen, dem ein ähnliches Herkunftsgebiet zugeschrieben wird. Aus Nienhagen liegen 4 Funde vor. Der gewöhnliche Ostsee-Syenitporphyr ist ein recht unauffälliges Gestein, einige seltene Varianten fallen ins Auge (Abb. 13-14).
Auch basaltische Mandelsteine sind häufig anzutreffen.
Vulkanite und Magmatite (Porphyre und Granite) aus Småland bzw. dem Transskandinavischen Magmatitgürtel (TIB) sind die häufigsten Kristallingeschiebe in Nienhagen.
Auch Granite aus anderen Gebieten als dem TIB finden sich in Nienhagen, z. B. der Karlshamn-Granit aus Blekinge, seltener auch Bornholm-Granite.
Die meisten der zahlreichen Porphyr-Geschiebe sind auf das Gebiet des TIB zurückzuführen, vor allem auf Småland, wo ausgedehnte Porphyrgebiete existieren. Eine genauere Herkunftsangabe lässt sich aber meist nicht machen. Als Leitgeschiebe eignen sich der Paskallavik- und Emarp-Typ, mit Abstrichen auch Lönneberga-, Högsrum- und Nymala-Porphyr. Porphyre aus Dalarna treten in Nienhagen nur untergeordnet auf; häufiger sind – neben Bredvad- und Grönklitt-Porphyr – Geschiebe vom Typ „Einsprenglingsreicher Porphyr aus Dalarna“. Auch unter den Småland-Porphyren gibt es einsprenglingsreiche Varianten (Abb. 34). Sie enthalten Enklaven mit dunklen Mineralen und sind in der Regel leicht deformiert.
Unter den kleineren Strandsteinen in Nienhagen kann man sehr viele basische Gesteine beobachten, vor allem Dolerite vom Asby-Ulvö-Typ.
Unter den Metamorphiten sind Paragneise vom Sörmland-Typ mit violettroten Granat-Porphyroblasten sehr häufig anzutreffen. Auch die Fundmöglichkeiten für Fleckengesteine aus dem Västervik-Gebiet scheinen in Nienhagen günstig zu sein. Allerdings treten die violetten Västervik-Quarzite nur selten auf, obwohl sie mengenmäßig die Fleckengesteine überwiegen müssten.
Sedimentärgeschiebe
In Nienhagen finden sich sehr viele Feuersteine. Günstig scheinen die Fundmöglichkeiten für Lias-Geschiebe (Toneisensteine mit Pflanzenresten) zu sein, weiterhin Kambrische Geschiebe (BUCHHOLZ 2011, HINZ-SCHALLREUTER & KOPPKA 1996), Stinkkalke, Silur-Geschiebe mit Graptolithen (MALETZ 1995, 1996) Gelegentlich kommen Roter Beyrichienkalk sowie Unterkreide-Geschiebe vor.
Nach einem Hinweis von S. Mantei handelt es sich bei diesem Konglomerat nicht etwa um den unterkambrischen Rispeberg-Sandstein, vielmehr sprechen enthaltene Trilobitenreste von Agnostus pisiformis für das obere Mittelkambrium. Dies ist ungewöhnlich, da eine sandige Fazies in der A. pisiformis-Zone in der Literatur bisher nicht beschrieben wurde. Von hier bekannt sind entweder (Stink-)kalkige Konglomerate mit oder sandige Konglomerate ohne A. pisiformis.
Literatur
SCHULZ W & PETERSS K 1989 Geologische Verhältnisse im Steiluferbereich des Fischlandes sowie zwischen Stoltera und Kühlungsborn – In: Mitteilungen der Forschungsanstalt für Schiffahrt, Wasser- und Grundbau; Schriftenreihe Wasser- und Grundbau 54. Berlin: Forschungsanstalt für Schiffahrt, Wasser- und Grundbau. S. 132-148.
BUCHHOLZ A 2011 Ein Geschiebe des A[ht]iella jentzschi-Konglomerates von Nienhagen, Mecklenburg (Norddeutschland) – Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Mecklenburg 11 (1): 24-30, 14 Abb., Ludwigslust.
BÜLOW K VON 1937 Grundmoränenbilder – Zeitschrift für Geschiebeforschung und Flachlandsgeologie 13 (1): 5-8, 3 Abb., Leipzig.
GEINITZ E 1910 Das Uferprofil des Fischlandes – Mitteilungen aus der Großherzoglichen Mecklenburgischen Geologischen Landesanstalt 21: 11 S., 11 Taf., Rostock (Leopold i. Komm.).
HINZ-SCHALLREUTER I & KOPPKA J 1996 Die Ostrakodenfauna eines mittelkambrischen Geschiebes von Nienhagen (Mecklenburg) [The Ostracod Fauna of a Middle Cambrian Geschiebe from Nienhagen (Mecklenburg)] – Archiv für Geschiebekunde 2 (1): 27-42, 5 Taf., Hamburg.
KLAFAK R 1996 Bericht über die Exkursion zur Steilküste Nienhagen – Geschiebekunde aktuell 12 (2): 61, Hamburg.
MALETZ J 1995 Dicranograptus clingani in einem Geschiebe von Nienhagen (Mecklenburg) – Geschiebekunde aktuell 11 (2): 33-36, 2 Abb., Hamburg.
MALETZ J 1996 Saetograptus cf. leintwardinensis in einem Geschiebe von Nienhagen – Geschiebekunde aktuell 12 (4): 111-116, 2 Abb., Hamburg.
PETERSS K 1990 Strukturtektonische Untersuchungen glazigener Sedimente im Raum Stoltera-Kühlung – Zeitschrift für geologische Wissenschaften 18 (12): 1093-1103, 10 Abb., Berlin (Verlag für Geowissenschaften).